gefragt wurde, ob ich denn trotz Geburtstag zum Brunch käme – wohl eher nicht, oder? – musste ich tatsächlich ein wenig überlegen. Ich hatte noch keine Pläne. Normalerweise stresst mich der Gedanke an meinen Geburtstag ja auch. Erst vorhin ist mir aufgefallen, dass ich in diesem Jahr keine Vorgeburtstagsdepression hatte. Das wäre mir fast entgangen. Und als mich eine Freundin nach Auffälligkeiten im Zusammenhang mit meiner Alkoholabstinenz fragte, sagte ich spontan, alles wäre so wie immer. Gut, dass ich noch einmal nachgedacht habe. Denn das stimmt nicht. Die schlaflosen Phasen in den Nächten sind weniger unangenehm. Ich weiß gar nicht, wann sich das verändert hat, nur dass.

Wenn ich mich früher oft wie eine zum Tode verurteilte gefühlt habe, der man den Grund für dieses Urteil leider vorenthalten hatte, die nur wusste, dass am Morgen der Henker kommen würde, dann ist das jetzt nicht mehr so. Ich werde nach wie vor wach, aber mein Fühlen ist anders. Vielleicht gibt es noch ein Unbehagen, aber es bleibt nicht so. Ob das mit dem nicht getrunkenen Alkohol zu tun hat oder mit den nächtlichen Exerzitien, wer kann das schon wissen.

Ich hatte jedenfalls einen sehr schönen Tag. Angefangen beim Frühstück im Garten mit dem Hausmann und Frau J., und dann ist es immer so weiter gegangen. Teilweise unbekannte Menschen haben mir jeweils eine Sonnenblume geschenkt, eine konzertierte Aktion, da ist ein ganzer Eimer voll zusammen gekommen, und Happy Birthday wurde zur Gitarre gesungen. Auch im weiteren Verlauf des Nachmittags und frühen Abends gab es immer wieder Gesangseinlagen. Da wurden eigene Songs vorgetragen, und wer nicht singen konnte oder wollte, der las ein selbst geschriebenes Gedicht. Das gefällt mir inzwischen richtig gut. Bänke und Tische wurden mal in die Scheune hinein, dann wieder herausgetragen, Babys wollten nicht schlafen, der kranke Hund war im Liebesrausch, Die Speisen auf dem Büfett köstlich. Leider konnte ich nichts davon probieren, nach zwei Stücken von der oberoberleckeren Himbeertorte passte nichts mehr in mich hinein.

Erstaunt hat mich, dass der Cava, den ich zum Anstoßen mitgebracht hatte, von den meisten abgelehnt wurde. Ist der mit oder ohne? Mit. Dann nicht, danke. Die Zeiten haben sich doch sehr geändert. Für mich war es nach mindestens 50 Jahren das erste Mal, dass ich an meinem Geburtstag keinen Alkohol getrunken habe, mich aber trotzdem so gefühlt habe, als hätte ich. Ein wenig aufgekratzt.  So oder so ähnlich wünsche ich mir das jetzt schon mal für das nächste Jahr. Vorhin habe ich nämlich zum Hausmann gesagt, dass ich den 70sten vielleicht doch feiern werde. Vielleicht. 

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